Liebe Tierfreunde, Unterstützer und Förderer des Hagel Hof e.V.,
als ich mich zur Vorbereitung auf das alljährliche Rundschreiben noch einmal mit dem Jahresrückblick von 2023 beschäftigt habe, ist mir eines besonders aufgefallen: meine „Freude“ darüber, dass das Jahr 2023 zu Ende gegangen war. Der Jahreswechsel von 2023 zu 2024 war damals für mich mit der Hoffnung verbunden, dass sich nach den turbulenten vergangenen 12 Monaten etwas mehr Ruhe und Stabilität einstellt. Nun sitze ich hier, etwa ein Jahr nach Formulierung dieses tief empfunden Wunsches und muss leider konstatieren, dass doch wieder einmal alles anders gekommen ist als erhofft. Gewiss: das Leben ist eine viel zu unsichere Angelegenheit, als dass es einen Anspruch auf die garantierte Verwirklichung von Plänen und Zielen gäbe – das gilt im Allgemeinen und ganz besonders auf einem Lebenshof wie unserem, für den die hier arbeitenden Menschen zwar alles Erdenkliche leisten können, der in seinem Bestand und seiner Qualität aber von Faktoren abhängig ist, die weit über die persönliche Einsatzbereitschaft hinausgehen. Dazu zählt neben der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung, die natürlich auch an uns nicht spurlos vorbeigeht (zum Beispiel der Anstieg der allgemeinen Lebenskosten), auch die Gesundheit der Tiere wie Menschen bei uns auf dem Hof oder das Eintreten unvorhergesehener Schicksalsschläge, mit denen ein Umgang gefunden werden muss. Ich möchte damit einleitend zum Ausdruck bringen, dass die Ende des letzten Jahres formulierte Sehnsucht nach Verbesserung der Situation seine Korrektur an Entwicklungen gefunden hat, die auch in diesem Jahr die Verwaltung und Aufrechterhaltung des Hagel-Hofs vor große Herausforderungen gestellt hat. Umso mehr möchte ich mich bei Ihnen in der Hoffnung, dass es Ihnen nicht als bloßes Ritual erscheint, wieder einmal von ganzem Herzen bedanken. Jedes Jahr, wenn ich dieses Schreiben aufsetze, kommt mir wieder zu vollem Bewusstsein, dass die Arbeit, die wir auf dem Hagel-Hof zugunsten der Tiere leisten, nur unter der Voraussetzung eines stabilen Unterstützerumfeldes überhaupt realisierbar ist. Ohne Ihre Zuwendungen, die materiell unverzichtbar sind und mir ideell das Gefühl geben, keine Einzelkämpferin, sondern Teil einer tierbewegten Interessensgemeinschaft zu sein, wäre der Hof schlicht und ergreifend nicht jenes Refugium für so viele Individuen, denen alternativ Schlimmes widerfahren würde. Nichtsdestotrotz gehört zur Wahrheit dazu, dass ein nicht unerheblicher Teil an Spendern und Spenderinnen im vergangenen Jahr weggefallen ist. Ich vermute, dass diese Entwicklung den allgemeinen Verteuerungen im Alltag Tribut zollt und ich gehe davon aus, dass keiner der ehemaligen Spender seine oder ihre Schenkungen leichtsinnig oder aus Desinteresse eingestellt hat. Jeder muss zusehen, wie er oder sie über die Runden kommt; das gilt für uns als Verein genauso wie für jeden Privathaushalt, weshalb ich natürlich Verständnis für jeden habe, der seine Prioritäten neu sortieren muss. Unglücklich ist, dass die steigenden Lebenskosten natürlich auch uns betreffen, sodass wir sozusagen von beiden Seiten unter Druck geraten: auch unsere Ausgaben schwellen absurd in die Höhe (wir haben im Vergleich zu 2023 54% höhere Ausgaben bei gleichbleibenden Bedingungen). Aber genug davon, schauen wir uns an, was sich in den vergangenen 12 Monaten Nennenswertes auf dem Hof zugetragen hat: Zu Beginn des Jahres galt es zunächst die Schäden der Überschwemmung zu beseitigen, die sich während des Jahreswechsels ereignet hatten. Zum Beispiel waren unsere Weidezäune derart unterspült, dass wir sie vollständig neu herrichten mussten. Wir hatten außerdem das gesamte Jahr über einigermaßen konstant einzelne „Sorgentiere“, deren Pflege und Behandlung jede Menge Ressourcen benötigt haben. Zum Beispiel hatte Kater Tom lange Probleme, Kot absetzten zu können. Tom hat durch eine Rückenmarksverletzung die Kontrolle über Kot- und Urinabsatz verloren, der Grund warum er 2023 zum Hagel-Hof kam. Die Darmlähmung war so stark, dass er immer wieder unter Verstopfungen litt. Durch die Kooperation mit einem engagierten Tierarzt konnten wir die Situation nach intensiver Betreuung verbessern. Unsere Rhesusäffin Betsy, die ihren Partner verloren und sichtbar darunter gelitten hatte, hat eine schwere Zuckerkrankheit entwickelt.
Betsy war über Jahre, bis sie 2019 auf dem Hagel-Hof einzog, in einen winzigen Käfig gesperrt und wurde dort nicht nur nicht artgerecht gehalten, sondern auch völlig falsch ernährt. Diese düstere Vergangenheit kam Betsy nun teuer zu stehen und unsere Aufgabe bestand darin, ihr beinahe täglich Blutproben zu entnehmen – das war für alle Beteiligten eine sehr herausfordernde Zeit. Der Diabetes konnte zwar eingehegt werden, Betsys allgemeiner Gesundheitszustand hat sich im Anschluss allerdings derart verschlechtert, dass eine sanfte Einschläferung unsere einzige Option gewesen ist. Nun ist sie fort und wir bleiben zurück mit der Hoffnung, ihr ein kleines bisschen Entschädigung für das gegeben haben zu können, was ihr von anderen angetan worden ist. Das veranlasst mich zu einem kleinen Einschub, der zu machen mir sehr wichtig ist: Viele Menschen neigen dazu, Lebens- und Gnadenhöfe zu utopischen Orten zu romantisieren. Vor dem Hintergrund, dass den dort Zuflucht findenden Tieren ein Leben als Selbstzweck unter bestmöglichen Bedingungen geboten wird, kann dieser Gedanke sich schon aufdrängen. Häufig in Vergessenheit gerät dabei jedoch die Einsicht, worauf die Existenz solcher Höfe eigentlich verweist: Bei ihnen geht es um Entschädigung und Schadensbegrenzung, sie sind insofern Orte der Not, als ihre Existenz nur in einer Welt notwendig ist, in der Tiere systematisch ausgebeutet, misshandelt und gequält werden. Am Beispiel Betsy ist leicht abzulesen, wie sehr die Tiere, denen das unwahrscheinliche Glück zuteilwurde, aus ihren Matern erlöst worden zu sein, die Spuren ihrer Vergangenheit weiter in sich tragen. Das dürfen wir nie vergessen. Tom und Betsy waren also zwei Individuen, auf die sich sehr viel Aufmerksamkeit, Zeit und Engagement konzentriert haben. Die große Herausforderung, die für mich immer auch konsequent mit viel Zeitdruck verbunden ist, besteht darin, neben diesen besonderen Pflegefällen die Versorgung aller anderen Tiere ebenfalls und mit gleicher Sorgfalt zu bewerkstelligen. Das funktioniert nur mit einem personell gut aufgestellten Team. Leider durchzieht es die Geschichte des Hofes, dass angeheuertes Personal stark fluktuiert, sodass auch im vergangenen Jahr viele Menschen gekommen, recht schnell aber auch wieder gegangen sind. Die Arbeit ist hart und schmutzig, sie verlangt viel Flexibilität und eine hohe auch emotionale Belastbarkeit ab. Insofern nimmt es nicht wunder, dass viele Menschen, die wir einstellen, sich recht bald wieder umorientieren. Und dennoch ist es gerade personale Kontinuität, die so unheimlich wichtig dafür wäre, den Tieren in all ihrer Individualität bestmöglich begegnen zu können. Wenn ich einen Wunsch an das neue Jahr richten darf, dann ist es dieser: verlässliche Unterstützung, die eine Verteilung an Verantwortung und „mental load“ ermöglicht.
Abschließend aber noch ein Schlaglicht auf die positiven Geschichten des vergangenen Jahres: Uns ist es gelungen, das Jemenchamäleon Gustav, das völlig abgemagert und mit halb abgestorbenen Schwanz zu uns kam, wieder völlig aufzupeppen! Das war mein persönliches tierisches Highlight und ich bin jedes Mal geleichermaßen glücklich und stolz, wenn ich den Kleinen in all seiner wiedergewonnen Pracht beobachten darf. Darüber hinaus war der bekannte Biologe Mark Benecke bei uns zu Gast und hat einen Eindruck von unserer Arbeit gewonnen. Wir konnten ihn als Schirmherr unserer Taubenanlage gewinnen. Wir haben am Ausbau unseres Kaninchenausgeheges weitergebaut und die Renovierung unserer Diele endlich abgeschlossen.
Wie es dieses Jahr weitergeht? Warten wir es ab. Ich habe mir vorgenommen, keine Prognose zu formulieren, dafür sind die Zeiten viel zu unsicher. Ich bin einfach froh, Sie an meiner Seite zu wissen und möchte abschließend noch einmal betonen, wie sehr ich Ihnen für alles, was Sie für die Tiere tun, verbunden bin.
Ich wünsche Ihnen ein gelingendes neues Jahr und verbleibe mit tierfreundlichen Grüßen Barbara Deppe