Rückblick 2022

Hier zur PDF-Version >>

 

Liebe Tierfreunde, Unterstützer und Förderer des Hagel Hof e.V.,

wieder ist ein Jahr vorüber und wie es für den niemals langweiligen Alltag auf unserem Lebenshof üblich ist, gibt es eine Menge zu berichten. Wovon ich in diesem Jahresschreiben zu erzählen beabsichtige, ist – wie gewohnt – weder ausschließlich positiv noch ausschließlich negativ. Wir alle dürften das Leben als etwas erfahren, woran beides – das Gute wie das Schlechte – gleichermaßen Anteil hat und das uns als eine seltsame Gleichzeitigkeit von Gegensätzen begegnet: So ist es hier auf dem Lebenshof einerseits großartig zu erleben, wie ehemals misshandelte, ausgesetzte und verwahrloste Tiere bei uns aufblühen und sich ihrem wahren Wesen gemäß entwickeln. Andererseits ist die Notwendigkeit eines Hofes wie dem unsrigen selbst natürlich bereits ein Armutszeugnis, das einer Welt ausgestellt wird, in der Tiere schrecklichste durch den Menschen verursachte Schicksale erleiden. Worauf ich hinaus möchte, ist Folgendes: die Erfahrung, Tieren eine zweite Chance auf ein würdevolles Leben zu bieten ist unbeschreiblich großartig, trägt aber den üblen Beigeschmack einer Gesellschaft, in der überhaupt nur ein Bruchteil derjenigen Tiere, die es bräuchten, geholfen werden kann. 

Und dann ist da noch diese große Verantwortung, die ich jedem einzelnen der etwa 700 bei uns lebenden Tieren gegenüber trage. Ich kann das nicht alleine schaffen und genau deshalb bin ich so unschätzbar glücklich, auf Ihre Unterstützung zählen zu können. 

Ich werde Ihnen nichts Überraschendes mitteilen, wenn ich Ihnen sage, wie sehr uns die allgemeinen Preiserhöhungen und speziell die steigenden Energiekosten schon jetzt getroffen haben. Das Futter für die uns anvertrauten Tiere ist zum Teil doppelt so teuer geworden wie noch vor einem Jahr und da wir ein Lebenshof auch für exotische Tiere mit besonderen klimatischen Ansprüchen sind, trifft uns auch die Energiekrise besonders hart. So teuer, wie aktuell, war es noch nie, unseren Hof zu betreiben und zugunsten der hilfsbedürftigen Tiere am Laufen zu halten. Und natürlich blieb es zuletzt auch nicht aus, dass diverse Patenschaften gekündigt und Spenden eingestellt wurden. Daraus würde ich nie wagen, einen Vorwurf zu formulieren. Man muss schauen, wo man bleibt und wenn das Geld knapp wird, müssen unangenehme Entscheidungen getroffen werden.  Niemals käme ich auf die Idee, auch nur einem einzelnen ehemaligen Spender zu unterstellen, seine Unterstützung leichtfertig eingestellt zu haben. 

Ich danke allen, die trotz allem versuchen, uns als Spender erhalten zu bleiben und weiß selbstverständlich auch das Engagement derjenigen aufs Höchste zu schätzen, die uns lange unterstützt haben, dies aufgrund der wirtschaftlichen Situation nun aber (zumindest vorerst) nicht mehr stemmen können. 

Wir selbst haben uns das Jahr über entsprechend hauptsächlich darauf fokussiert, unser Geld so gut es geht zusammenzuhalten und keine allzu kostspieligen Projekte umzusetzen. Zu meinem großen Bedauern mussten wir sogar dazu übergehen, neue Tieraufnahmen abgesehen von absoluten Ausnahmen vorübergehend einzustellen. Das ist in einer Zeit, in der viele Familien ihre Tiere aus Kostengründen abgeben und in der bei uns das Telefon entsprechend kaum stillsteht, natürlich besonders hart. Aber ich frage Sie: was bleibt uns anderes übrig? 

Bei alledem beruhigt mich allein der Gedanke daran, dass die bei uns bereits lebenden Tiere weiterhin eine liebevolle und bedürfnisgerechte Versorgung erfahren und von den Krisen da draußen überhaupt nichts wissen. Unsere Tiere starten stets unbeschwert und in freudiger Erwartung in den Tag – für mich ist das ein großer Trost! 

Nichtsdestotrotz ist natürlich einiges passiert bei uns, wobei es sich überwiegend um Reparatur-und Renovierungsarbeiten handelt, die zu unserem großen Glück teilweise von ehrenamtlichen Handwerkern übernommen worden sind, die wir im Rahmen einer Hofführung kennenlernen durften. So konnten u.a. 18 Fenster im Kleintierstall ausgetauscht, neue Tore und Passierklappen installiert und die Tür vom Ziegenstall erneuert werden. Auch die Stützpfosten fürs Strohlager wurden erneuert. Für das kommende Jahr besteht unser Hauptanliegen zuvörderst darin, unseren Tieren trotz der herausfordernden wirtschaftlichen Situation weiterhin ein Refugium zur Verfügung zu stellen und den Hof zu einem Ort der Sicherheit und des Wohlfühlens für sie zu machen. Das kann uns gelingen, indem wir alle hier auf dem Hof jeden Tag alles aus uns herausholen, unser Bestes geben und mit viel Idealismus und Herzblut der gelegentlichen Versuchung, alles in Frage zu stellen, eine entschiedene Absage erteilen. 

Und dennoch schaffen wir das natürlich nicht allein und bei allem Verständnis für die Notwendigkeit, ggf. sparen zu müssen, brauchen wir weiter Menschen, die uns zuverlässig unterstützen. Dass uns viele unserer Spender und Spenderinnen trotz der Situation treu geblieben sind und einige, denen es finanziell möglich war, ihre Anteile sogar erhöht haben, macht uns Mut und gibt uns unheimlich viel Kraft – vielen Dank dafür!

Ich möchte dieses Schreiben aber natürlich keinesfalls beenden, ohne eine erfreuliche Tiergeschichte zu berichten. Ich möchte Sie aus diesem Brief mit einem Eindruck davon entlassen, warum es uns gibt und noch viele Jahre geben wird. Ich will Ihnen abschließend das Schicksal eines Tieres nahebringen, das uns ermutigt und uns motiviert, den Hagel-Hof als Ort der Zuflucht und eines neuen Mensch-Tier-Verhältnis weiter aufrechtzuerhalten. Ich möchte ihnen erzählen von Marlena, einer sechsjährigen Zuchtsau, die bis zu ihrem Einzug auf den Hagel-Hof quasi ihr gesamtes Leben in einem Kastenstand verbringen und nach künstlicher Befruchtung Ferkel gebären musste. Marlena war – wen wundert es angesichts der Haltungsbedingungen? – in einem sehr schlechten Zustand, als sie zu uns kam. Sie hatte starke Gelenk- und Schleimbeutelentzündungen, ihr Bewegungsapparat war schwer in Mitleidenschaft gezogen und ganz allgemein war sie ein überaus bemitleidenswertes Geschöpf. Als sie als eine der oben angedeuteten Ausnahmen zu uns gekommen ist, haben wir sie medizinisch versorgt und langsam an ein normales Schweineleben gewöhnt. Der Moment, in dem Marlena das erste Mal in ihrem Leben in einen saftigen Apfel gebissen hat, war unbeschreiblich und spätestens angesichts der Freude, mit der sie ihr erstes Schlammbad genommen hat, ist mir wieder einmal klar geworden, wofür sich all der Aufwand, diesen Hof zu betreiben, lohnt. Emil, unser zweites ehemaliges Mastschwein, hat sich gleich in seine neue Gesellschaft verguckt und die beiden sind heute unzertrennlich. Das ist, wofür wir kämpfen und das ist, was Sie mit ihrer Unterstützung erst möglich machen.

Ich möchte mich im Namen aller Mitarbeitenden und aller Tiere auf dem Hagel-Hof ganz herzlich für Ihr Engagement bedanken und hoffe, dass Sie uns weiter treu bleiben. Ich wünsche Ihnen alles erdenklich Gute und ein schönes, tierfreundliches Jahr 2023.

Liebe Grüße 

Barbara Deppe

Next Post Previous Post